Betreff: Urteilsbegründung zur Soldatenimpfpflicht auf der Webseite des BVerwG

Sehr geehrte Damen und Herren Juristen,
 

die Begründung des Urteils des BVerwG zur Soldatenimpfpflicht, Urteil zu 1 WB 2.22 vom 7.7.2022, befindet sich am 13.12.2022 auf der Webseite des BVerwG. Unter dem Link zu 1 WB 5.22 ist am 13.12. noch nichts zu finden. Siehe die zwei Links unten auf der Web-Seite,

Am Freitag den 9.12. und am Sonntag den 11.12., d.h. zwei bzw. vier Tage nach dem Fristablauf am 7.12., 24:00 Uhr, maximal 5 Monate nach dem 7.7., befand sich die Urteilsbegründung zu 1 W 2.22 noch nicht auf der Webseite des BVerwG.

Eine Veröffentlichung auf der Webseite sagt nichts darüber aus, wann die Urteilsbegründung der Geschäftsstelle zugegangen ist, §117, Abs. 4 S.2 VwGO i.V.m. GSOGB BVerwG 93,367(=NJW 1993, 2603).

§117, Abs. 4 VwGO

Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.“

Wenn das Urteil am 7.12., 24:00 Uhr, der Geschäftsstelle nicht vorgelegen hat, dann hätte es als nicht mit Gründen versehen gegolten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., §117 Rz. 21, GSOGB BVerwG 93,367)

GSOGB BVerwG 93,367 (Tenor)

„Ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefaßtes Urteil ist im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind.“

Somit hätte ein absoluter Revisionsgrund vorgelegen, §138 Nr. 6 VwGO.

§ 138 Nr. 6 VwGO

„Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn …

6. die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.“

In dem Dickicht deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeitsverwaltungsbeamtentums wird sich vermutlich nicht mehr nachvollziehen lassen, ob die Urteilsbegründung der Geschäftsstelle vor oder nach dem 7.12. zugegangen ist.

Aber es kann auch festgehalten werden, dass sich das BVerwG die maximale Zeit von (ausnahmsweise) 5 Monaten Zeit gelassen hat, eine Begründung für ein bereits verkündetes Urteil zu schreiben. Hier wäre mindestens zu fragen, welche Ausnahmen denn vorgelegen haben, dass die maximale Zeit notwendig war, ein bereits verkündetes Urteil zu begründen.

Unabhängig von einer inhaltlichen Bewertung der nun vorliegenden Urteilsbegründung bleibt ein schaler Nachgeschmack bei der gerichtlichen Handhabung dieses Vorgangs in dem 2,5 Säulenmodell des deutschen Grundgesetzes.

Mit freundlichen Grüßen,
Johannes Kreis