Veröffentlicht am 30. August 2022 18:07
von Stefan Kasper-Behrs auf Finanzmarkwelt
Russland exportiert in viele EU-Länder Öl und Gas auf Hochtouren – und Deutschland kauft dann womöglich von Norwegen – ohne es zu wissen – russisches Öl und Gas. Denn Deutschland hält sich brav an die Sanktionen – andere EU-Länder hingegen fordern härtere Sanktionen gegen Russland, verdienen aber womöglich prächtig an Deutschlands Naivität!
Ein normaler Tag im Hafen von Sankt Petersburg.
Es ist Dienstag, der 30. August 2022. Es regnet und bei 14 Grad mögen viele sicher nicht gern vor die Tür gehen. Doch die Hafenarbeiter in Sankt Petersburg haben alle Hände voll zu tun und schwitzen trotz der herbstlichen Temperaturen, denn die ankommenden und abfahrenden Schiffe müssen mit Öl beladen und zügig abgefertigt werden. Time Is Money.
Russland: Öl und Gas – gab es da nicht ein Ölembargo?
Das Ölembargo der EU betrifft nahezu 90 % der russischen Öleinfuhren nach Europa.
Im Juni 2022 hat die EU ein sechstes Paket von Sanktionen verabschiedet, das unter anderem den Erwerb, die Einfuhr oder die Weiterleitung von Rohöl und bestimmten Erdölerzeugnissen aus Russland in die EU verbietet. Die Beschränkungen werden schrittweise eingeführt, nämlich innerhalb von sechs Monaten für Rohöl und von acht Monaten für andere Erdölerzeugnisse. Bis Ende des Jahres läuft der Ölexport in die EU von Russland aus auf Hochtouren. Anfang 2021 hatte man noch Ölpreise, die bei 50 Dollar und tiefer lagen. Jetzt liegt der Preis pro Barrel bei knapp 100 USD.
An Urlaub aber ist bei den Matrosen der Öltanker momentan nicht zu denken. Die Kais in St Petersburg sind permanent belegt.
Öl und Gas aus Russland? Her damit!
Der Handel mit Gas und Öl aus Russland floriert.
Hier ein paar konkrete Beispiele:
Der Öltanker SEAQUEEN, der unter der Flagge von Malta fährt (IMO: 9288863) gehört der englischen Firma Sealion Enterprises Ltd mit Sitz in Gloucester/ England. Die Häfen, die der Öltanker in den letzten Wochen anlief, zeigen, wer sich jetzt die Lager mit Öl füllt.
Am 28. Juli legte der Öltanker im Hafen von Danzig (Polen) an und löschte seine Ladung. Am 5. August fuhr der Tanker wieder ab in Richtung Primorsk, Russia. Der Hafen von Primorsk ist der größte russische Ölverladehafen in der Ostsee und der Endpunkt des baltischen Pipelinesystems. Laut Aussagen des stellvertretenden polnischen Außenministers Marcin Przydacz und des Sprechers des Ministeriums, Łukasz Jasina, die am 18. Juni von der deutschen Wochenzeitung „Welt am Sonntag“ zitiert wurden, hat Polen die Vorbereitung eines siebten Pakets von Sanktionen gegen Russland gefordert. Aber das Öl aus Russland nimmt man immer noch gerne.
Am 8. August legte der Öltanker wieder im Hafen von Primorsk an. Hier wurde der Tanker innerhalb von knapp zwei Tagen beladen und legte am 9. August wieder ab. Fünf Tage später, am 14. August, legte der Öltanker im Hafen von Rotterdam (ROTTERDAM ANCH Port of calls) an. Am 16. August wechselte der Tanker dann den Kai in Rotterdam zum Maasvlakte-Rotterdam. Die Maasvlakte ist ein großes Industrie- und Hafengebiet der niederländischen Großstadt Rotterdam. Am 17. August lief der Tanker wieder aus und liegt nun wieder im russischen Ostseehafen Ust-Luga (110 Kilometer südlich von Sankt Petersburg).
Hier ein anderer Öltanker: Die LR2 OPHELIA (IMO: 9740471, MMSI: 477150600).
Er fährt unter der Flagge von Hong Kong (gebaut im Jahr 2018). Ankunft und Löschung der Ladung am 6. Augst in Norwegen. Abfahrt wieder am 8 August mit dem Ziel zum Öl-Hafen Ust-Luga (Russland), den der Öl-Tanker am 12 August erreichte. Dort, wieder vollgetankt, machte sich der Tanker am 15. August auf den Weg nach Estland, wo es am Abend des 20. August anlegte und entladen wurde. Am 26 August legte der Tanker dann wieder im russischen Ölhafen Ust-Luga an, um schnell vollzutanken.
Es ist schon sehr merkwürdig, dass gerade Estland unvermindert Öl aus Russland importiert, obwohl der estische Außenminister Urmas Reinsalu noch am 22. August bemängelte, dass die Sanktionen gegen Russland bisher nicht die erwünschte Wirkung hätten. Er forderte sogar von der EU neue und härtere Sanktionen.
Der LPG Tanker (Gastanker) ALCOR fährt momentan unter der Flagge von Liberia die Route Russland-Estland. Gechartert ist der Tanker von der Firma Sibur. Sibur ist der größte russische Petrochemie-Konzern.
Der Öltanker FREUD (IMO: 9804461) belieferte Estland am 9. Juli mit Öl. Ein Tanker, der unter der Flagge der Marshall Islands fährt und einer griechischen Firma namens ELANOR OWNERS INC gehört. Sicherlich werden diese Reedereien auch nächstes Jahr noch Öl aus Russland transportieren, weil Griechenland, Malta und Zypern ein Veto gegen die russische Öl Sanktionen einlegte.
Auch das Schiff für Ölprodukte, die MINERVA OCEANIA (IMO: 9380075), welche unter der Flagge von Malta fährt, fuhr im August zweimal von Russland nach Rotterdam.
Diese Schiffe, die ich hier aufgeführt habe – es sind bei weitem nicht alle – liegen alle heute im Öl-Hafen in Russland und werden neu betankt.
Ein normaler verregneter Tag im Hafen von St Petersburg. Morgen kommen neue Schiffe und werden viele Länder Europas mit Öl beliefern, nur nicht Deutschland: denn Deutschland hält sich anders als andere Länder der EU schon jetzt an die Sanktionen!
Länder der EU bekommen weiter Lieferungen von Öl und Gas – und Deutschland, das sich brav prophylaktisch an die Sanktionen hält, kauft dann von diesen Ländern möglicherweise indirekt Öl und Gas aus Russland.
Anm. Redaktion (Datz): Es gibt verlässliche Informationen nach denen Deutschland sehr wohl auch Öl aus Russland bezieht – nur anders deklariert. Am Ende verdienen die Energiekonzerne. Es zahlt der Bürger.