Prof. Dr. Henrieke Stahl | NARRATIVE #188 by Robert Cibis

Hier ist eine ca. 33 Minuten-Fassung ohne Einschränkung, unsere OVALplus-Mitglieder können die Sendung in voller Länge geniessen.

Geist und Kapital – Prof. Dr. Henrieke Stahl

Robert Cibis bespricht mit Prof. Dr. Henrieke Stahl, wie man „das System wieder auf die Füsse stellen“ kann. Irrwege in Medien, Wissenschaft und Politik führten zu Missbrauch der „Coronakrise“ und mit ihr auch u.a. der Wissenschaft und des Verfassungsschutzes. Woher kommt das Narrativ um die problematische Partizipation im Ausnahmezustand? Wie konnten Sachinteressen durch Kapitalinteressen eliminiert werden?
Prof. Dr. Henrieke Stahl hat sich um die Abwehr einer Allgemeinen Corona-Impfpflicht verdient gemacht. Sie ist Initiatorin und – zusammen mit anderen – Gründerin der 7-Argumente-Gruppe und nun auch Gründerin und erste Vorsitzende des Vereins MEthiG e.V. Die Professorin für russische und polnische Literaturwissenschaft setzt sich heute weiterhin für die Aufarbeitung der Massnahmenkrise 2020-23 ein. Z.B. hat sie vor kurzem in Berlin die Konferenz „Freiheit in Gefahr?“ und das „Corona-Symposium Potsdam“ organisiert und kuratiert, beide wurden exklusiv von OVALmedia aufgezeichnet und veröffentlicht.

Das Gespräch mit Filmemacher Robert Cibis geht nun weit über diese Thematik hinaus. Die beiden besprechen Inkompetenz und Angst bei Verantwortlichen und wie „unsere“ Demokratie in den Ausnahmezustand kam. Ein Bericht der Trilateralen Commission hatte schon 1975 die Partizipation der Bürger in Krisensituationen problematisiert.  Ist der Digital Services Act die Fortsetzung dieser Haltung? Was ist die Gedankenwelt der sogennanten „Elite“? Wo bleibt das Wahre, das Gute und das Schöne?

Krise gibt Legitimation für Transformation. Bei „Corona“ wurde der Mensch „verpreist“. Wir werden zum Objekt, selbst die „körperliche Unversehrtheit“ durfte – nach Infektionsschutzgesetz – aufgegeben werden. Freiheit ist Handeln aus Einsicht, nicht aus Pflicht. Prof. Stahl setzt sich für eine demokratische Gesellschaft ein, welche Freiheit und Toleranz als ihr Herzstück pflegt. Sie will „den Staat verschlanken“. Wenn die Bürokraten in Brüssel „dezentral“ hören, spüren sie, wie sie unwichtiger werden. Aber die Steuerbarkeit aller Bereiche unserer Gesellschaft durch Behörden, die weit weg liegen, ist nicht nur freiheitseinschränkend, sondern auch ineffizient.

Die Innovation kommt meist in Freiheit. Die Professorin für Slawistik würde sogar den Wissenschaftsrat abschaffen, Institutionen vor Ort fördern, mehr Gelder für freie Forschung bereit stellen. Das würde nicht nur die Selbstverantwortung fördern, sondern auch die Kompetenz im Allgemeinen. Inkompetente funktionieren besser in Schlüsselpositionen bei einer zentralistischen Gesellschaft. Selbstdenker hingegen braucht man, wenn die Verantwortung auf vielen Schultern liegt.

Die Vergemeinschaftung wurde durch die Umsetzung des „Infektionsschutzes“ deutlich. Selbst die Auslegung von Artikel 4 des Grundgesetzes zur Glaubens- und Gewissensfreiheit tendierte zur Vergesellschaftung des Individuums, etwa wenn die Berufung auf die Gewissensfreiheit zur Zurückweisung einer Impfpflicht als nicht oder kaum für sinnvoll erklärt wurde. Auch der Leib wurde durch die Maßnahmen vergesellschaftet.

Die „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ stellt ein ähnliches Denkmuster dar. Es geht nicht etwa um illegale Äußerungen von Bürgern, die geahndet werden könnten. Wir müssen nun überlegen, wie Dritte unsere Aussagen beurteilen könnten, ob diese eventuell „eine verfassungsfeindliche Agenda verfolgen“. Kritische, demokratische Reflexion muss besonders besonnen erfolgen, nämlich unter Abwägung ihrer objektiven Auslegung durch Dritte, denn es zählt die Bedeutung, nicht die Intention des Sprechers. „Es macht keinen Spass mehr in Deutschland zu leben, weil man an allen Ecken und Enden überlegen muss, was man sagt.“, erklärt Prof. Stahl. Sprachzensur sei auch eine Denkzensur. „Wir müssen die Toleranz haben, völlig unterschiedliche Positionen zu haben.“

Obwohl sie die aktuelle Migrationspolitik scharf kritisiert, ist Henrieke Stahl „migrationsfreundlich“. Sie setzte sich u.a. für ein Projekt zur Integration durch kreative Sprachverwendung an einer Schule ein. Russen und Armenier wurden in ihre Familie aufgenommen. Kürzlich half sie noch Ukrainern, die innerhalb der Ukraine geflüchtet waren. Sie vertritt eine freiheitliche, christlich-humanistische Weltauffassung. Das fehlt ihr bei AFD, BSW und auch der CDU. Die beobachtete „Spaltung der Gesellschaft“ sei auch eine „Verrohung der Gesellschaft“. Es brauche eine religiöse, transzendentale Erneuerung, „weil es die Schönheit ist, durch welche man zu der Freiheit wandert.“ so zitiert Prof. Stahl den Dichter Friedrich Schiller.

Die Redaktion von OVALmedia

Referenzen

Min 43:01
Robert Cibis & Lilian Franck, Kapital: Mensch, OVALmedia/ARTE/ZDF, 2004. 

Min 22:17
Ein deutsch-chinesisches Labor, das „Wuhan-Essen Joint International Laboratory of Infection and Immunity“, welches 2017 von der Uni Duisburg-Essen und der HUST Universität in Wuhan gegründet wurde.

Min 47:15
Ehud Sprinzak, „The Process of Delegitimation: Towards a Linkage Theory of Political Terrorism“.
In: Terrorism and Political Violence, 3(1), 50–68.

Min 48:30
„Nikolaj S Leskov, Die Lady Macbeth aus dem Landkreis Mzensk, Reclam, 1986″

Min 58:25
The Crisis of Democracy by Michel Crozier, Samuel Huntington and Joji Watanuki
Report on the Governability of Democracies to the Trilateral Commission, New York University Press, 1975

1h05:23
Brigitte Röhrig, Die Corona-Verschwörung, Rubikon, 2023, im Shop von OVALmedia

1h21:05
Martin Michaelis | NARRATIVE by Robert Cibis #108

1h45:00
Ver­fas­sungs­schutz­re­le­van­te De­le­gi­ti­mie­rung des Staa­tes

1h49:28
1. April 2024 eine neues Beamtengesetz: „Am 1. April 2024 trat die Reform des Disziplinarrechts des Bundes in Kraft. Damit können Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden.“

1h49:54
Schlag gegen Tagesschau, Prof. Dr. Ulrich Vosgerau  | NARRATIVE #179

1h55:18
Mathias Brotkorb, Gesinnungspolizei im Rechtsstaat, zu Klampen! Verlag, 2024