Unabhängiger Sachverständigenausschuss zur Evaluation des Infektionsschutzgesetzes – Die nicht-neutrale Besetzung des Corona-Gremiums – Ein Kommentar
Redaktion OVALmedia
Das Bundesministerium für Gesundheit hat einen unabhängigen Sachverständigenausschuss damit beauftragt, die Corona-Maßnahmen zu evaluieren. Das klingt gut. Doch leider scheint „unabhängig“ nicht das zu sein, was man von diesem Gremium, zumindest auf den ersten Blick, erwarten darf. Viele der ursprünglich 18 Mitglieder, zu denen einst auch Virologe Christian Drosten zählte, präsentierten sich im Rahmen der Pandemiepolitik als äußerst regelaffin. Zum Teil stellten sie sich gar öffentlich als Botschafter für Maßnahmen wie Maskenzwang und Impfpflicht dar. Somit fällt es schwer, zu glauben, dass sie nun die Pandemiepolitik der Bundesregierung wirklich neutral, sachlich, unabhängig und objektiv bewerten können.
Es ist ja nicht so, dass uns im Rahmen der Corona-Krise die kritischen Fragen ausgingen. In diesem Fall wäre es wohl aber ratsam, nicht allzu tief zu bohren. Schließlich könnte man sich hier intellektuell sehr schnell beleidigt fühlen. Viele Mitglieder des Gremiums, und vor allem auch die Vorsitzenden, präsentierten sich bisher öffentlich als große Verfechter von Maskenzwang – auch bei Kindern – 2G-Diskriminierung und Impfpflicht. Diese Tatsache lässt gewisse Eigenschaften vermissen, die ein solcher Ausschuss doch erfüllen sollte. Müssten die neutralen Sachverständigen nicht relativ neutral an das Thema herangehen können? Sie sollten sich jedenfalls nicht vorher schon deutlich positioniert oder gar von den Maßnahmen beruflich profitiert haben. Jedes Kindergartenkind würde sich wohl veralbert fühlen, wenn die Erzieherin ausgerechnet die Bande Vierjähriger, die die anderen stets ärgert, dazu auserwählt, Sozialverhalten und Etikette in der Gruppe objektiv und nüchtern zu bewerten.
Machen Sie sich aber keine Sorgen. Auch diesem Logikmangel, der uns in den vergangenen Jahren so oft den Nachtschlaf raubte, können wir trotzen. Machen wir ein Trinkspiel draus. Ein Schluck Blaubeersaft auf jeden Sachverständigen, der oder die sich in der Vergangenheit öffentlich deutlich für die eine, die andere oder alle Corona-Maßnahmen ausgesprochen hat. Ihnen wird sich der Kopf dann schon ganz von alleine drehen. Versprochen. Hier ein paar Beispiele, um das kritische Grübeln wieder in Gang zu setzen. Mitglieder des Sachverständigenausschuss zur Evaluation des Infektionsschutzgesetzes
- Prof. Dr. Stefan Huster (Vorsitzender)
Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Sozial- und Gesundheitsrecht und Rechtsphilosophie an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum - Leopoldina-Mitglied
Prof. Dr. Huster hatte sich beispielsweise am 6. Februar 2022 in seinem Essay „Impfung oder Lockdown“ in der TAZ (https://taz.de/Corona-und-Impfpflicht/!5830407/) dafür ausgesprochen, dass die Impfpflicht alternativlos sei und schrieb, dass „wir“ (die Geimpften) ohne die Impfpflicht einen „Teil der Schwerkranken oder unsere Freiheit der ‚Tyrannei der Ungeimpften‘“ opfern müssten. Die Impfung ist für ihn, so eine Formulierung in diesem Artikel, offenbar nur ein „kleiner Piks“.
- FPD Dr. Andrea Kießling (stellvertretende Vorsitzende)
Inhaberin der Professur für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Sozialrecht an der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Frau Kießling präsentierte sich als Maskenbefürworterin auch für Schüler. In diesem Artikel (https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/corona-hotspot-regelung-expertin-andrea-kie%C3%9Fling-kritisiert-verantwortungspingpong-der-politik-te-ins-private/ar-AAVEtH5) berichtet sie unter anderem über die Hotspot-Regelung. Auch der Impfpflicht steht sie positiv gegenüber, zu sehen unter anderem hier (https://www.n-tv.de/politik/Intensivbetten-nur-fuer-Geimpfte-statt-Impfpflicht-fuer-alle-article23141088.html).
- Prof. Dr. Helga Rübsamen-Schaeff (stellv. Vorsitzende ab 21.12.2021)
Virologin und Infektiologin, Gründungs-Geschäftsführerin der AiCuris Anti-Infective Cures AG in Wuppertal; Mitglied des Aufsichtsrats der AiCuris AG und der Merck KGaA Darmstadt, Mitglied des Gesellschafterrats der E. Merck KG
Mehr Impfbefürwortung geht nicht. Die Medizinerin ist eine klare Werberin für die Impfpflicht. In diesem Artikel vom 6. Dezember 2022 („Wir müssen eine allgemeine Impfpflicht einführen“: https://www.rtl.de/cms/wir-muessen-eine-allgemeine-impfpflicht-einfuehren-4878740.html) gibt sie als einziges wirksames Mittel gegen die Omikron-Variante an: „Impfen, was die Nadel hält!“ Dabei sei es auch nicht so kritisch zu betrachten, dass die „Impfstoffe möglicherweise nicht mehr vollständig gegen die neue Variante schützen“. In einer Sendung von Maybrit Illner macht sie Angst vor Öffnungen und neuen Varianten, gibt aber Impfhoffnung (Sendung vom 27. Mai 2021, online noch verfügbar bis 27. Mai 2022: https://www.zdf.de/politik/maybrit-illner/geimpft-getestet-genesen-wann-ist-die-pandemie-vorbei-maybrit-illner-vom-27-mai-2021-100.html). Ist sie in der Lage,im Zweifel ihre damaligen Überzeugungen zu revidieren?
- Herr Prof. Dr. Heyo K. Kroemer (stellvertretender Vorsitzender bis 21.12.2021)
Vorstandsvorsitzender der Charité-Universitätsmedizin Berlin - Vorsitzender des Corona-Expertenrats der Bundesregierung
Prof. Dr. Heyo K. Kroemer ist Vorsitzender des Corona-Expertenrats der Bundesregierung. Er soll dort mitwirken und der Bundesregierung wissenschaftsbasierte Handlungsempfehlungen in Coronafragen zu liefern. Dazu zählten unter anderem Kontaktbeschränkungen und Booster-Impfungen (ein Beispiel unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/2000790/ab8327b5b0264599151b34a39a0857cb/2022-01-22-nr-3-expertenrat-data.pdf?download=1).
- Dr. Anne Bunte
Leiterin des Gesundheitsamtes des Kreises Gütersloh und Vorsitzende des Landesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes NRW e.V.
Hier wird es schwierig sein, zu glauben, dass die oft medial zitierte Gesundheitsamtsleiterin neutral an die Bewertung der Maßnahmen herangehen kann, äußerte sie sich doch beispielsweise in der Ärzte Zeitung (https://www.aerztezeitung.de/Politik/Infektionsschutzgesetz-Aerztevertreter-reagieren-gespalten-auf-Ampel-Plaene-424426.html) Ende 2021 so, dass der Eindämmungs-Erfolg nur durch das Kombinieren der Maßnahmen möglich sei. Wird sie diese Richtung bei der Gremiumarbeit noch einmal ganz neu überdenken?
- Herr Prof. Dr. Michael Brenner
Lehrstuhlinhaber für Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dr. Brenner hätte gern eine Impfpflicht, die je nach Coronavarianten-Lage jederzeit scharfgeschaltet werden kann (https://www.mdr.de/ nachrichten/thueringen/redakteur-corona-impfpflicht-argumente-100.html). Impfzwang auf Wiedervorlage sozusagen.
- Herr Prof. Dr. Rolf Rosenbrock
apl. Professor an der Berlin School of Public Health in der Charité Universitätsmedizin Berlin; Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes – Gesamtverband e.V.
Prof. Dr. Rosenbrock sprach sich Ende 2021 beispielsweise in diesem Artikel seines Verbandes für eine allgemeine Impfpflicht aus: https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/paritaetischer-wohlfahrtsverband-spricht-sich-fuer-allgemeine-impfpflicht-aus/
- Herr Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph M. Schmidt
Präsident des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen; Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftspolitik und Angewandte Ökonometrie an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr. Schmidt ist gleich zu Beginn der Coronakrise von den Kontaktbeschränkungen überzeugt gewesen. Diese Maßnahme sollte dazu dienen, die Zahl der verfügbaren Intensivbetten nicht zu gefährden. Denkt er heute anders über das, was er damals äußerte (https://medizin-aspekte.de/statement-von-prof-dr-dr-h-c-christoph-m-schmidt-zum-corona-massnahmenkatalog-der-bundesregierung-116625/)?
Etwas neutraler geht es auch:
- Herr Prof. Dr. Hendrik Streeck
Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn
Prof. Dr. Streeck war oft ein Lichtblick für all diejenigen, die auch mal eine Gegenmeinung zu der gängigen Pandemiepolitik hören wollten. Leider hat die Vergangenheit jedoch gezeigt, dass er sich damit trotz nachvollziehbarer Argumente, Fakten und Beweise nicht durchzusetzen vermochte. Aber das könnte in diesem Gremium ja anders werden.
Für die Quote – eine Stimme von der anderen Seite:
Ein weiterer Sachverständiger, der öffentlich in Erscheinung tritt, die Pandemiemaßnahmen der Bundesregierung aber nicht befürwortet, ist Prof. Dr. Werner Bergholz (Partner der ISC International Standards Consulting GmbH & Co. KG; ehem. Professor für Electrical Engineering an der Jacobs University Bremen).
Der Professor warnte vor den Impfstoffen, auch öffentlichkeitswirksam mehrfach in den Sitzungen des Corona Ausschuss (https://corona-ausschuss.de/). So sprach er in seinem aktuellen Beitrag dort (https://odysee.com/@Corona-Ausschuss:3/s103de:f) am 6. Mai 2022 über Impfnebenwirkungen, aber auch über den hier beschriebenen Sachverständigenausschuss. Es wird sich zeigen, auf wieviel Gehör seine Analysen in dem Gremium stoßen werden. Spätestens im Herbst wissen wir mehr.
Der Zeitplan der Evaluation
Das Ergebnis der Untersuchung übergibt der Sachverständigenausschuss der Bundesregierung bis zum 30. Juni 2022. Diese übermittelt bis zum 30. September die Evaluierung samt eigener Stellungnahme an den Bundestag. Auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/s/sachverstaendigenausschuss-infektionsschutzgesetz.html) finden sich alle weiteren Informationen zum Sachverständigenausschuss.
Zusammensetzung des Sachverständigenausschuss der Bundesregierung
Der Sachverständigenausschuss beruht auf § 5 Absatz 9 Infektionsschutzgesetz (IfSG) und ist im Oktober 2021 erstmalig zusammengekommen. Von den ursprünglich 18 Mitgliedern (jetzt 16) wurden neun von den Fraktionen im Bundestag benannt und daraufhin vom Gesundheitsministerium eingesetzt. Die anderen neun Sachverständigen ernannte das Ministerium selbst. Ziel des Gremiums ist es, das Infektionsschutzgesetz unter interdisziplinären Gesichtspunkten auszuwerten. Hierbei soll nicht nur die juristische Seite betrachtet werden, sondern vor allem auch epidemiologische und medizinische Fakten im Vordergrund stehen. Die Sachverständigen wollen das Krisenmanagement bewerten, schließlich ist es ein gängiges Vorgehen für das Projektmanagement im Krisenfall, die Prozessqualität und Ergebnisqualität zu beleuchten. Fraglich ist allerdings – neben dem Zweifel an der Neutralität der Besetzung – ob dem Gremium alle notwendigen Daten vorliegen, um die Maßnahmen objektiv und tiefgründig einzuschätzen.