Verwaltung des Unplanbaren

Robert Cibis bespricht mit Friedericke Pfeiffer de Bruin den Umgang mit der Endlichkeit in Zeiten des Umbruchs. Die Aktivistin für Demokratie hilft als Geburts- und Sterbebegleiterin den Zyklus des Lebens bewusst zu machen.

Buch des Gastes ist hier erhältlich: „Die Zukunft beginnt heute“


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Friederike Pfeiffer-de Bruin ist Expertin für die Themen Geburt und Tod. Eine Wissenskombination, die viele Menschen abschreckt, die in sich jedoch so rein und bedeutend ist, dass mehr darüber gesprochen werden sollte. Das findet jedenfalls Friederike Pfeiffer-de Bruin, die unter anderem als Geburts- und Sterbebegleiterin und bei der Arbeit in der Bestattung viele essenzielle Dinge über sich, die Menschen, das Leben und Sterben erfahren hat. Diese Kenntnisse gibt sie nun gern an andere weiter, so auch in dieser Folge von Narrative: Ein tiefgründiges Gespräch, in dem sich die Themen Geburt, Tod, Trauma und „Ausnahmezustand Corona“ wie von selbst miteinander verbinden.

Geburt und Tod, das sind Momente, in denen sich das Leben voll und ganz präsentiert. Augenblicke, in denen es nur um das Wesentliche geht. Friederike Pfeiffer-de Bruin beschreibt die Prozesse fast liebevoll und mit einer Natürlichkeit, die diesbezüglich schon längst aus unserer Effizienz-Kultur verschwunden zu sein scheint. Dem entsprechend kritisiert Friederike auch das gängige Narrativ über die Geburt: Diese sei schwer, bedrohlich, schmerzhaft und ziemlich gefährlich, so dass eine Frau ohne ärztliche Hilfe nicht auskommen könne. Das Gegenteil sollte allerdings der Fall sein. Eine Geburt, so Friederike, müsste in Ruhe stattfinden, ohne ständige Ansprache von anderen, fremden Menschen. Es sollte Privatsphäre geben und keine stressigen Krankenhaussituationen. Keine wechselnden Ärzte, die ins Zimmer poltern und schlimmstenfalls ohne überhaupt nur ihren Namen durch die Zähne zu brummen, intime Untersuchungen bei den gebärenden Frauen vornehmen. Die haben ohnehin schon mit Angst und Unsicherheit zu kämpfen. Nein, es läuft nicht optimal auf deutschen Geburtsstationen. Friederike spricht in diesem Zusammenhang auch von „struktureller Gewalt“ und Spätfolgen nach den Negativerfahrungen. Statt eines natürlichen Flusses unter dem Zusammenspiel der Hormone erleben viele Frauen bei der Geburt diesen Punkt, an dem sie aus eigener Kraft scheinbar nicht mehr weiterkommen. Doch sind diese Komplikationen, so Friederike Pfeiffer-de Bruin, sehr oft schlichtweg hausgemacht.

Es gäbe viele Möglichkeiten, all dies zu umgehen und die Geburt zu einem wesentlich sanfteren Ereignis werden zu lassen, sagt sie. Doch in Zeiten, in denen Kaiserschnitte zum ganz normalen Tagesgeschäft geworden sind, braucht es viel Eigenverantwortung der Frauen. Sie sollten sich selbst früh genug mit ihrem eigenen Körper und Seelenleben auseinandersetzen, um die Erfahrung der Geburt aus eigenem Handeln heraus positiv beeinflussen zu können. Das wäre sehr wichtig, kann eine schlechte Geburtserfahrung, so Friederike, zu einer Traumatisierung von Mutter und Neugeborenem führen. Und sich einem Trauma – unabhängig davon, wie es entstanden ist – entgegenzustellen, das ist nicht einfach. In diesem Narrative-Gespräch berichtet Friederike auch über eine selbsterlebte einschneidende Erfahrung. Nicht bei einer Geburt, sondern bei einer Demonstration im Herbst 2020 in Berlin. Dort hatte sie massive Polizeigewalt erlebt: Ein Erlebnis, das auch eine starke Frau wie sie eine Weile ganz schön aus der Bahn werfen konnte. Umso intensiver hat sie sich daraufhin mit Möglichkeiten befasst, die Folgen derart bedrohlicher Erlebnisse zu mildern. Sie spricht über spezielle Methoden, um dem Körper zu helfen, Folgen traumatischer Erfahrungen besser zu bewältigen und erläutert die physiologischen und psychologischen Prozesse dahinter. Weiterhin spricht sie über den allgemeinen Umgang mit natürlichen Heilverfahren, Themen wie gesundheitliche Bildung und was nach dem Tod mit dem Bewusstsein geschieht – vielleicht geschehen mag. Sie analysiert den Ausnahmezustand in unserer Corona-Gesellschaft und beschreibt ihre Hoffnung, wie die Menschen zu mehr Menschlichkeit zurückfinden könnten.