Die grosse Ablenkung vom Klassenkampf

Uwe Steimle sieht sich als Westbeauftragter der BRD. Der Schauspieler und Kabarettist bietet in dieser Funktion an, zu erklären, warum die Stasi nach ’89 gewonnen habe. Der Wessi und Filmemacher Robert Cibis bespricht mit seinem Gast außerdem die Wahl in Sachsen-Anhalt vom Sonntag und das Gesellschaftsmodell der Zukunft.



Uwe Steimle war in der DDR eine ganz wesentliche Sache: jung. Der Schauspieler und Kabarettist hat das politische System zu einem Zeitpunkt erlebt, als er genug Energie für beides hatte: sich anzupassen und zu rebellieren. Beides war in der einen oder anderen Form notwendig, um in der DDR-Diktatur Wohlbefinden und Motivation intakt zu halten.
Mehr über den „DDR-Modus“ erläutert der Psychiater und Psychoanalytiker Dr. Hans-Joachim Maaz in der Narrative-Folge 53.

Dort, wo ein Mensch seine Jugendjahre verbringen darf, wurzelt die Nostalgie oft am besten. Sicher auch deshalb weint Uwe Steimle „der DDR heute noch immer eine Träne hinterher“. Er findet, dass die Menschen damals sehr gebildet waren und ein gutes Team – gerade im Jahr des Mauerfalls 1989. Es gab akademische Aufstiegsmöglichkeiten selbst für Arbeiterkinder – und es gab gleiche Rechte und Gehälter für Mann und Frau. „Da waren wir in der DDR schon weiter“, sagt der erklärte Linke mit Blick auf die heutige Situation. Allerdings warnt er trotz allem davor, dass die demokratiefeindlichen Strukturen des damaligen Regimes hier und jetzt wieder zum Leben erwachen könnten. Zu spät für den Konjunktiv, muss man da sagen: Denn im Dezember 2019 hatte ihn die Vergangenheit ja schon wieder eingeholt.

Galt Uwe Steimle in den Akten der Nationalen Volksarmee als „unberechenbar“ und „Querulant“, entfernte ihn der Sender MDR 30 Jahre später mit ähnlichem Begriffswerkzeug aus seinem Job: Intendantin und Sender passte es nicht, dass Steimle in verschiedenen Interviews die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Frage gestellt hatte und dessen Staatsferne bestritt. So jedenfalls erklärt der Arbeitgeber selbst die Kündigung. Wird von heute auf morgen eine derart erfolgreiche Sendung wie seine plötzlich abgeschafft, trifft das einen Künstler natürlich mitten ins Herz. Wird er daraufhin noch in einer straffen Ausgrenzungs-Kampagne vorgeführt und abgewertet, geht das weiter bis an seine Existenz. Und so ist es Uwe Steimle auch jetzt noch anzumerken, dass ihn all das schwer verunsichert hat. Seit wann darf er (wieder) nicht sagen, was er wirklich denkt? Oder Witze über die Wahrheit machen, um sie dem Publikum als Satire zu verkaufen? Da hilft es umso weniger, dass nun auch noch die Corona-Krise die schlimmsten Allüren der Cancel-Culture salonfähig zu machen scheint. Uwe Steimle hat auch zu diesen Themen viel zu sagen. So spricht er hier unter anderem darüber, wie der Rat seiner Tochter seine Impfentscheidung kippen ließ, welche Verteilungskämpfe er demnächst bei uns erwartet, wie unsere Chancen stehen, den Kaiser endlich nackt zu sehen und ob es wirklich 25 verschiedene Biersorten im Laden um die Ecke geben sollte. Kritische Punkte. Doch wer jetzt denkt, Herr Steimle hätte die Biersorten-Reduktion auch unter dem Deckmantel der Satire verlangt, muss sich in dieser Folge von Narrative eines Besseren belehren lassen.

4:46 Start
6:44 Über die Corona-Impfung
11:56 Von Person der Zeitgeschichte zu Persona non grata
12:40 Steimle vor der Wende
16:50 Unberechenbar und Querulant
23:23 Diktatur als höchste Form der Demokratie
32:50 Was ist in den vergangenen 30 Jahren passiert?
40:00 Warum ist er gecancelt worden?
45:50 Warum ist er Querulant in der BRD gewesen?
1:05:30 Vorsicht, die Zustände in der DDR kommen wieder!
1:08:50 Was machen wir, um zu sehen, dass der Kaiser nackt ist?
1:11:48 Warum sind die Sachsen so, wie sie sind?
1:13:54 Wie öffnen wir das Gespräch?
1:16:00 Verteilungskrieg mit Corona
1:19:28 Was werden die Taten der Zukunft sein?
1:23:40 Wo findet der Klassenkampf statt?
1:27:50 Wie frei hat sich Uwe Steimle bei der Entscheidung, sich impfen zu lassen, gefühlt?
1:29:50 Dass die Kinderlähmung in Afrika verschwunden ist, liegt nicht an Bill Gates.
1:37:00 Eine in der DDR sozialisierte Bundeskanzlerin zieht besonders stramm die Corona-Maßnahmen durch. Ist das Zufall?
1:46:03 Umfragen ergaben, dass auch nach der Pandemie 50 Prozent der Menschen weiter Masken tragen wollen.

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