Bauernkriege
Viviane Fischer – Rechtsanwältin, Volkswirtin, Hutmacherin, Landwirtin
Felix Kremerskothen – Landwirt
Dann werde ich eben Selbstversorger! Diesen Satz konnten viele von uns in der letzten Zeit sicher hier und da vernehmen. Wie gern haben wir den Enthusiasmus unseres Gegenübers daraufhin mit Zuspruch und Wohlwollen honoriert. Natürlich ohne genauer über die klaren Fakten nachzudenken: Landwirtschaft ist schwer. Es ist schon harte Arbeit, sich selbst mit Gartengemüse zu beglücken. Was leisten erst diejenigen, deren Produkte hunderte von Menschen versorgen müssen?! Jeder, der Lebensmittel kauft oder sie nur konsumiert, sollte sich diese Folge von Narrative zu Gemüte führen. Landwirt Felix Kremerskothen spricht auf seinem Hof in Mecklenburg-Vorpommern mit Robert Cibis und Rechtsanwältin und Schafzüchterin Viviane Fischer über seine langjährige Erfahrung in diesem Beruf. Darüber, was sich die Menschen von der Landwirtschaft erwarten, welche Vorurteile sie kultivieren und inwieweit das alles mit der Realität oftmals nicht zusammenpasst. Dieses Gespräch zeigt sehr viele Gegensätze und Logikbrüche in dem auf, was gesellschaftlich gewollt, was gedacht und was tatsächlich umgesetzt wird. Da ist die Wiederansiedlung des Raubtiers Wolf fast nur eine weitere kontroverse Randnotiz, mit der sich die Bauern herumplagen müssen. Hand aufs Herz: Die meisten von uns haben keine Ahnung von der Landwirtschaft. Nach dieser Folge von Narrative sind wir dafür aber deutlich schlauer.
Gerade Großstädter rümpfen zu gern die Nase, wenn es um die Landwirtschaft geht: Ist das wirklich ganz gesund, düngemittelfrei und bio? Selbst wissen sie zumeist wenig bis gar nichts über das, was Landwirte wie Felix Kremerskothen tagtäglich alles leisten. Und auch Viviane Fischer hat beispielsweise schon erlebt, dass Menschen keine Ahnung hatten, ob sie frische Eier aus privater Hühnerhaltung wirklich gleich verwenden können. Vor diesem Hintergrund des Nichtwissens ist es wichtig, hier einen thematischen Rundumblick zu bieten, um Interesse und Verständnis anzuregen. Politik und Gesellschaft setzen die Bauern von heute vielen bürokratischen Gängeleien aus: Nachhaltigkeit, klimaneutrale Landwirtschaft, Tierschutzauflagen, Umweltauflagen im Pflanzenbau… Die Ironie an der Sache? All diese Auflagen, die die Arbeit auf so vielen Ebenen erschwert, gelten für importierte Waren nicht. Und derart widersinnig ist vieles. Die Landwirte sollen zum Beispiel den Anspruch der Regionalität erfüllen – doch haben sie vor Ort zum Teil gar nicht die Möglichkeiten und Ausstattung, um den einheitlichen EU-Standards zu entsprechen. Felix Kremerskothen schildert diese Probleme sehr anschaulich anhand verschiedener Beispiele aus seinem Tagesgeschäft.
Dabei geht er immer wieder auch darauf ein, wie Landwirtschaft früher betrieben und gelebt worden ist. Er erklärt, welchen Ansprüchen sich die modernen Landwirte tatsächlich annähern könnten, würde man sie nur lassen. In diesem Zusammenhang spricht er mit Viviane Fischer auch über das Thema Nutztierhaltung und Nachhaltigkeit. Sie selbst züchtet eine sehr seltene Schafrasse und verwendet die Wolle dafür, Designerhüte zu produzieren. Geht es um gesunde Schafe, geht es natürlich zwangsläufig auch um deren Feind: den Wolf. Statt ein nettes Kuscheltier zu sein, das von Knusperstangen lebt, die ihm Spaziergänger reichen, stellt er für die Nutztiere eine deutliche Bedrohung dar. Es ist wichtig, das zu wissen. Um Sachverhalte wie diesen der Öffentlichkeit allerdings nüchtern und emotionsreduziert zu präsentieren, wird ein Umdenken gebraucht: Gefragt ist der Wille, wieder wissenschaftsbasiert zu argumentieren. Die Auflagen dürften nicht aus Brüssel kommen, da viele Dinge in der Landwirtschaft nicht zu vereinheitlichen sind – wenn sie funktionieren sollen. Verbotspolitik ist die Bremse. Wissen, Kreativität und ein Hinwenden zu regionalen Kreisläufen wären dagegen wichtige Lösungsansätze. Die Landwirtschaft hat sich über Jahrtausende aus sich selbst heraus weiterentwickelt, ohne von Industrie und Politik so eingeschränkt worden zu sein. Die Landwirte sind findig und es wäre schön, wenn sich gerade Menschen, die in den Städten wenig Berührung mit deren Arbeit haben, auch direkt vor Ort mal einen Überblick verschaffen würden. Wissen ist schließlich auch eine Holpflicht, sagt Felix Kremerskothen. Daher spricht er in dieser Folge von Narrative auch über seine Ideen, wie bereits die Jüngsten an das Thema Landwirtschaft herangeführt werden könnten, um mehr darüber zu erfahren, was die Arbeit der Bauern wirklich ausmacht.
4:50 Transformationsprozess in der Landwirtschaft in den Achtziger- und Neunzigerjahren hin zu immer größeren Betrieben
9:00 Frau Fischer über ihre Tätigkeit als Landwirtin
11:00 Das Narrativ des Tierschutzes: Wird es missbraucht?
13:00 Welche Probleme können bei der Nutztierhaltung aufkommen?
18:40 Eingreifen des Menschen in die Natur
25:20 Pflanzenschutzmittel, Bioprodukte und gefährliche natürliche Toxine
28:30 Wie hoch springt der Wolf? Was verändert sich derzeit mit dem Wolf für die Landwirte?
31:40 Wieso gibt es den Wolf hier wieder?
36:30 Wie zufällig und blauäugig passieren solche Sachen wie die Wolfsansiedlung? Welche Rolle spielen in der Landwirtschaft EU-Regularien und Lobbyismus?
52:12 Was würden Felix Kremerskothen und Viviane Fischer als erstes ändern?
54:18 Noch mehr Verbote: Stichwort Grundwasserverordnung
1:00:30 Werden kleine und mittlere Unternehmen mit all den Auflagen systematisch benachteiligt?
1:06:45 Stichwort Vereinzelung: Inwieweit haben sich dörfliche Strukturen und Zusammenhalt in den letzten Jahren verändert?
1:10:20 Vorteile der neuen Strukturen? Effizienzsteigerung, günstige Preise, Nahrungsmittelsicherheit, Oligopole…?
1:17:38 Gülle, Jauche, Düngemittel?
1:26:00 Massentierhaltung und Co: Welche Begriffe werden öffentlich mit welcher Vorstellung assoziiert? Inwieweit passt das mit der Realität zusammen?
1:32:00 Demonstrationen der Bauern: Was kann Felix Kremerskothen über die internationale Bewegung der Bauern sagen?
1:36:00 Welche Auflagen gibt es denn, um den Klimaschutz zu gewährleisten?
1:37:39 Wie hat sich Viviane Fischers Blick auf die Landwirtschaft seit der Coronakrise geändert?
1:42:37 Tipps an die Städter? Wie können Städter die Diversität in der Landwirtschaft unterstützen?
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